20. April 2020

COVID-19 und die Stiftungsprojekte – Fragen und Antworten

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COVID-19 trifft jeden. Auch die Artemed Stiftung muss sich auf die veränderten Gegebenheiten einstellen und ihre Arbeit anpassen. Die Ärztinnen Dr. Anna Borys, Dr. Silke Rausch und Sr. Dr. Ulla-Mariam haben sich seit dem Ausbruch der Erkrankung besonders stark für die Stiftungsprojekte eingesetzt und haben Handlungsempfehlungen für unsere Projekte entwickelt. Lesen Sie hier ihre Einschätzung der Lage:

Was waren Ihre ersten Reaktionen als sie von COVID-19 erfahren haben?

Es hat bei uns allen ein wenig gedauert, bis wir das Ausmaß begreifen konnten. China war weit weg und nachdem die ersten Fälle in Deutschland, die sogenannten Webasto-Fälle, so unproblematisch verlaufen sind, waren wir der Meinung, dass man Covid-19 gut beherrschen kann. Mit den ersten Bildern aus Italien wurde uns das komplette Ausmaß erst richtig bewusst. Trotzdem konnten wir uns zunächst nicht vorstellen, wie drastisch sich unsere Welt in so kurzer Zeit verändern würde. Im ersten Schritt haben wir uns auf unsere Arbeit in den Kliniken hier konzentriert und versucht, uns auf die neuen Gegebenheiten und die täglich wechselnden Nachrichten einzustellen. Sehr bald schon haben wir auch an unsere Kollegen in den Stiftungsprojekten gedacht und uns wurde schlagartig bewusst, welche Konsequenzen dort zu befürchten sind und dass wir schnell handeln müssen, um die Menschen dort vorzubereiten.

Wie schätzen Sie die Lage in Ländern wie wie Tansania, Myanmar oder Bolivien ein?

Die Gesundheitsversorgung in diesen Ländern ist nicht mit Europa vergleichbar. Es gibt kaum Testmöglichkeiten, egal für welche Erkrankung. Selbst ein ordentliches Blutbild ist schon schwer zu bekommen. Wie stark diese Länder von COVID-19 betroffen sind, ist damit gar nicht zu beurteilen. Hinzu kommt, dass die Menschen in den Ländern nicht so gesund sind wie wir. Je nach Land gibt es schon eine hohe Sterblichkeitsrate durch Unterernährung, fehlende Impfungen etc., daher sind die Menschen viel anfälliger für weitere Erkrankungen. Und auch der Krankenhaussektor ist völlig unzureichend ausgebildet. Nur zum Vergleich: in Tansania gibt es 0,7 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner, in Myanmar sind es 0,9 pro 1000 Einwohner und in Deutschland 8,3. Intensivbetten sind in diesen Ländern kaum vorhanden. Darüber hinaus leben die meisten Menschen in engen Gemeinschaften, Maßnahmen wie eine Kontaktmeidung sind daher schwer umzusetzen. Und wie soll Hygiene umgesetzt werden, wenn schon kein Zugang zu sauberem Wasser besteht?

Welche Maßnahmen wurden in den Projekten ergriffen?

Unser wichtigstes Anliegen war, unsere Teams vor Ort auf die Bedrohung aufmerksam zu machen und bestmöglich vorzubereiten. Die Informationslage ist in Myanmar, Tansania und Bolivien sehr viel schlechter als bei uns. Es herrschte auf der einen Seite viel Unsicherheit bis hin zur Panik und auf der anderen Seite eine große Unwissenheit. Wir haben unsere Teams in Videokonferenzen geschult und verschiedene Schulungsmaterialien erstellt, insbesondere zum Thema Selbstschutz: Anleitungen zur Hygiene, zum Händewaschen, Plakate mit Grundregeln bei Corona, Nähanleitungen für Mundschutz etc. Zum einen müssen wir für die Sicherheit unserer Kollegen garantieren, zum anderen ist es wichtig, dass sie gesund bleiben, um die vielen Patienten weiter medizinisch versorgen zu können.

Was glauben Sie, welche Auswirkungen das Virus in den Projektländern haben wird?

Das ist derzeit schwer abzuschätzen, aber wir befürchten schlimme Langzeitwirkungen. Die Ärmsten der Armen, die meistens ihr Geld täglich z.B. mit kleinen Verkäufen auf der Straße verdienen, können dieser Arbeit nicht mehr nachgehen. Viele Industriezweige sind auch von Aufträgen aus Europa abhängig (z.B. Näherinnen in Myanmar), die nun alle ausbleiben. Ebenso bleiben die Spendenzahlungen und Investoren aus dem Ausland aus. Soziale Sicherungssysteme gibt es in diesen Ländern nicht. Das Virus wird sich mehr oder weniger ungehindert ausbreiten können, es ist mit vielen gleichzeitigen Todesfällen zu rechnen, diese Szenarien will man sich nicht vorstellen.

Wir befürchten auch, dass die Projekte in den einzelnen Ländern, die allesamt eine sehr gute Entwicklung gezeigt haben, davon betroffen sein werden. Es ist nicht abzusehen, wann die ersten in der Stiftung tätigen Helfer wieder in die Länder reisen können, um vor Ort Projekte begleiten zu können. Neben materiellen Hilfen ist der Transport von Wissen und Erfahrung mit praktischer Anleitung vor Ort ein wichtiger Auftrag der Artemed Stiftung. Auch die Versorgung mit speziellen Materialien aus Deutschland bleibt derzeit aus. Selbst die Versorgung mit im Land erhältlichen Gütern ist seit Covid-19 sehr schwierig bis unmöglich geworden. Wir tun, was wir können, um diesen Mangel auszugleichen und die Projekte aus der Ferne zu unterstützen, um die Langzeitfolgen zu verhindern oder abzumildern.

Was sind die größten Herausforderungen in diesen Krisenzeiten?

Ruhe zu bewahren und weiter zu machen, ohne vor Ort sein zu können.

Was wird am dringendsten benötigt, wie können wir hier von Deutschland aus helfen.

Es ist beinahe schon ein Kunststück, derzeit Schutzkleidung aufzutreiben. Die Preise sind selbst in Tansania, Myanmar oder Bolivien exorbitant und ohne Unterschied zu den Preisen hier in Deutschland. Wir brauchen Spenden, damit wir zum einen unsere Teams ausstatten können, und zum anderen brauchen wir Spenden, die uns weiterhin unsere normale medizinische Arbeit ermöglichen.

 

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